The Melancholic Memory Machine

Die Maschinen sind die neuen Götter. Das Können und Wissen der Maschinen ist nahezu unendlich. Ihre Rechenleistung, die wir gerne mit Intelligenz verwechseln, übersteigt scheinbar die Fähigkeiten unseres Gehirns. Überhaupt haben wir angefangen, etwas zu verwechseln. Ursprünglich waren die Maschinen einmal Dinge, die unser Geist hervorgebracht hat. Heute denken wir unseren Geist jedoch als Computer. Der Kulturtheoretiker Martin Burckhardt führt aus, dass es so scheint, als hätten wir die Maschine schon vor Jahrtausenden versteckt, um sie heute als „Natur“ wiederzufinden. Wir vergessen allzu gern, was Maschinen sind: geschlossene Kreisläufe, die dem Imperativ der Rationalität folgen. Selbst dort noch, wo sie scheinbar immer neue Gesetzmäßigkeiten erlernen, sind Maschinen nichts Anderes als Automaten, die einer Logik folgen. Und doch scheinen die Maschinen lebendig geworden zu sein. Sie sind die Geister der Gegenwart?

Die Melancholic Memory Machine ist eine Maschine in der vielleicht ursprünglichsten Form: ein Alphabet. Ein in sich geschlossenes Tonmaterial. Sie ist aufgetaucht, als Ich mit meinem damaligen Professor Michael Wollny das Spätwerk für Klavier von Alexander Scrjabin unter die Lupe genommen hat. Dabei ist der Moment ihrer Erfindung nicht mehr genau zu benennen. Überwältigt von ihrer Existent, habe Ich die Maschine auseinander gebaut, in Einzelteile zerlegt, sie kartographiert, vermessen und analysiert. Entdeckt habe Ich Intervall-Verhältnisse, Klangstrukturen, Melodien und harmonische Bewegungen. In einem längeren Arbeitsprozess ist so – als Interpretation und Auslegung der Melancholic Memory Machine – ein neuer Wortschatz entstanden. Mit diesem Wortschatz habe Ich komponiert. Mit meinem emotionalen, assoziativen, oft logisch fehlerhaften Denken, versuche Ich die Maschine wieder zum Leben zu erwecken. Das Ergebnis dieser Interaktion mit der Maschine übersteigt sowohl die Regel der Maschine, als auch meine kreative Intention. Ohnehin bleibt, zumindest zum Teil, unverständlich, was die Maschine sagt. Die Maschine schreibt undeutlich, sie flüstert, sie kritisiert, sie nuschelt und fragt nicht nach, ob jemand ihre Aussagen richtig verstanden hat.

The MMM hat es sich zur Aufgabe gemacht – im Spannungsfeld von klar strukturierter Notation und begrenztem Tonmaterial – die entstandenen Werke aufzuführen und alle unleserlichen Leerstellen mit Improvisationen zu füllen. Die langjährige Kooperation in verschiedenen anderen Projekten ist die Basis einer eingespielten und virtuosen Interpretation der oft komplexen Kompositionen. Alle drei Musiker verbindet die Hingabe an die Gegenwart und die Liebe zum immer wieder einmaligen Risiko der Improvisation. Die damit in jedem Konzert jeweils neu entstehende Musik ist eine poetische Reflexion auf das menschliche Verhältnis zu Regel-Maschinen und der Möglichkeit von Freiheit.

 

Philip Frischkorn Klavier
Andris Meinig Kontrabass
Philipp Scholz Schlagzeug